16.5.2020

Warum wir Wertschätzung so dringend brauchen

 

Linda (38) und Robert (42) sind ein echtes Powerpaar. Sie ist Radiologin, er ist selbständiger Steuerberater. Zusammen betreiben sie auch noch einen großen Hof. Und sie haben drei Kinder, alle in der Pubertät. Kein Wunder, dass Robert vor einigen Jahren zusammengeklappt ist – Burn-Out. Linda, gewohnt an Leistung und viel Arbeiten, hat seinen Part auf dem Hof auch noch mitübernommen, die ganzen Monate, als er in der Klinik war. Sie ist eine hübsche Frau mit kurzen Locken, leicht ergraut, er ein großer Mann mit matten Augen. Als wir die beiden fragen, ob sie sich schon einmal für all das gedankt haben, was sie Tag für Tag miteinander schaffen, gucken sie uns mit großen Augen an. „Loben“ – das, finden sie beide, sei doch nicht nötig – sie wissen doch, dass sie ständig an ihre Grenzen und auch darüber hinaus gehen. 

 

Wertschätzung aber ist etwas ganz anderes als Loben. Wertschätzung hat viel mehr mit Achtsamkeit zu tun. Mit Dankbarkeit, für all die kleinen und großen Dinge, die der andere für einen tut, Tag für Tag. Wenn er oder sie ungefragt ein unangenehmes Telefonat übernimmt. Wenn er oder sie morgens den Kaffee ans Bett bringt, damit der andere noch fünf Minuten liegenbleiben kann. Wenn er oder sie die Kinder ins Bett bringt, obwohl eigentlich der andere „dran“ wäre. Diese kleinen Gesten der Liebe zu bemerken, kann in einer Partnerschaft unglaublich viel bewirken. So viel, dass wir sagen würden, allein mit täglicher Wertschätzung wird es kaum zu einer echten Krise kommen. Oder sie ist ein so wichtiges Handwerkszeug, dass ein Paar allein damit wieder aus einer Krise herausfinden könnte.

 

Das scheint ein bisschen übertrieben, denn es klingt ja nach so wenig. Nach Kleinigkeiten. Aber Wertschätzung, das Wahrnehmen all dieser Kleinigkeiten, selbst wenn ein Paar gerade miteinander im Stress ist, ist etwas ganz Großes. Warum?

 

Nun, es sind drei wichtige Gründe, warum Wertschätzung so kostbar ist. Und warum wir Sie ermutigen möchten, am besten heute noch damit anzufangen:

 

1. Der erste Grund: Stress und Wertschätzung schließen sich gegenseitig aus. Bei Stress geraten wir in einen Modus von Kampf oder Flucht. Wir denken nur noch ans Überleben. Bei partnerschaftlichem Streit werden wir emotional oder intellektuell, extrem sachlich oder wir ziehen uns zurück. Das aber sind re-aktive Muster, alte Muster, die uns schützen und unser Überleben sichern sollen, die gleichzeitig aber unsere Vorstellung, dass wir gerade überhaupt nicht geliebt werden, aufrechterhalten. Wenn wir aber anfangen, uns gegenseitig wertzuschätzen, wird dieser Stress – zumindest für die Zeit der Wertschätzung – außer Kraft gesetzt. Wir entspannen uns. Wir beginnen, den Partner wieder mit anderen Augen zu sehen. Wir kommen aus dem Kampf- und Flucht-Modus heraus. Wir können – manchmal – sogar erkennen, dass der andere, obwohl wir gerade mit ihm im Clinch liegen – nicht nur hässlich, böse oder ablehnend uns gegenüber ist. Sondern – wenn auch nur in kleinen Gesten – offenbar auch andere Gefühle für uns hat.

 

2. Der zweite Grund: Wertschätzung hat eine doppelseitige Wirkung. Was bedeutet das? Wenn ich den anderen wertschätze, wenn ich bemerke, was der andere dann und wann Schönes für mich tut, und wenn ich das dann mit Wertschätzung ausspreche, dann ist das nicht nur ein Lob. Sondern ein Anerkennen, dass ich dem anderen offenbar so wichtig bin, dass er oder sie an mich denkt. Mich im Blick hat. Mir etwas abnimmt. Mich meint. Wirklich mich. Das aber ist eine wunderschöne Botschaft auch für einen selbst. Wenn ich den anderen wertschätze, ihm dankbar bin für etwas, was er für mich getan hat oder wo er an mich gedacht hat, dann muss ich ja vielleicht doch in seinen Augen liebenswert sein. Denn sonst würde er so kleine Gesten nicht machen. Das aber kann mir das Gefühl geben: Ich bedeute dem anderen etwas. Offenbar bin ich ihm nicht gleichgültig. Und das kann das eigene innere Programm, in dem man sonst so oft auf Indizienjagd geht, dass der andere einen ja doch nicht liebt, verändern oder auf Dauer sogar auflösen. Deshalb ist die Wertschätzung des anderen für einen selbst so wichtig. Genauso aber ist es damit, wenn der andere einem eine Wertschätzung gibt. Denn dann hat er ja bemerkt, was in mir vorgeht. Wo ich vielleicht etwas tue, sage oder denke, das dem anderen zugewandt ist. Dies zu bemerken und dann auch noch mit einer Dankbarkeit auszusprechen, kann mir die Botschaft geben: Hej, da bekommt jemand mit, dass ich versuche, wirklich nett zu sein, vielleicht sogar, dem anderen meine Liebe zu zeigen. Und das kann mir dann das Signal geben: Wenn wir auch sonst nicht einer Meinung sind, wenn wir vielleicht sogar viele Konflikte haben – es gibt dennoch auch Schönes, dennoch auch Liebe zwischen uns. Wenn ich dies wirklich annehmen kann, wirklich in mich einlassen kann, dann kann ich anfangen, mich gesehen, mich erkannt zu fühlen – in dem Schönen, was in mir ist und was sich auf den Partner, auf die Familie richtet. Dass ich es gut mit dem anderen meine. Dass ich in meiner Liebe gesehen werde. Und das tut wirklich gut.

 

3. Wertschätzung kann unsere Selbstachtung heben. Wir leben in einer Gesellschaft, die es nicht gelernt hat, den anderen wertzuschätzen. Wir sind es gewohnt, unsere innere Messlatte unglaublich hoch zu hängen. Wir sind es nicht gewohnt, schon kleine Dinge zu erkennen, sie zu benennen, uns vielleicht sogar darüber zu freuen. „Das ist doch selbstverständlich“, denken wir. Nein, ist es nicht. Wie wenig „selbstverständlich“ Kleinigkeiten sind, können wir merken, wenn wir uns über negative „Kleinigkeiten“, die uns widerfahren, so aufregen können. Weil sie Dinge in uns erwecken, die uns mit unserem inneren Mangel in Berührung bringen. Mit etwas, was wir nicht können oder nicht zu können glauben. Mit etwas, was wir nicht sind. Nicht achtsam genug, nicht klug genug, nicht sportlich genug, nicht intelligent genug, nicht schön genug. Dann regen wir uns zwar auf, aber eigentlich gehen wir mit uns selbst doch auch so um – oder? Wir sind es so gewohnt, kritisch zu sein, mit uns selbst, mit anderen. Der innere Kritiker ist in uns allzeit präsent. Unser inneres Mangelprogramm ist sehr ausgefeilt geschrieben. Ein inneres Fülleprogramm aber haben wir nicht. Wir achten wenig darauf, dem anderen und uns selbst das Gefühl zu geben: Das, was du zu schenken hast, ist etwas Schönes, etwas Wertvolles. Wir machen den anderen nicht stolz, in einem positiven Sinne. Wir geben ihm nicht das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Dabei könnte das so viel verändern, für jeden Einzelnen, aber auch den anderen und letztlich auch für unsere Gesellschaft. Denn eine Wertschätzung zu erhalten, eine echt gemeinte Dankbarkeit, auch im Kleinen, immer wieder, kann unser ganzes inneres Programm verändern. Es kann uns das Gefühl geben, wertvoll zu sein. Wenn der andere uns sieht in unserem So-Sein und uns darin wertschätzt, und wenn wir lernen, diese Wertschätzung auch wirklich anzunehmen, dann können wir uns selbst nach und nach für jemanden halten, der wirklich etwas zu geben hat. Das aber ist etwas ganz Großes. Etwas, was uns verwandeln könnte, was uns herausholen könnte aus der ewigen Selbstkritik oder dem ewigen Blick auf den Mangel, unseren eigenen und den anderer. Wertschätzung bringt uns in Verbindung mit der Fülle, die wir in uns tragen. Mit der Fülle, die wir sind. Das aber ist wie die Einzahlung auf ein Selbstachtungskonto: Je öfter es passiert, umso mehr ist auf dem Konto. Wenn dann mal eine Kritik kommt, dann wirft uns das nicht mehr gleich aus der Bahn. Denn wir haben ja ein Plus auf unserem Selbstachtungskonto. Wenn dort aber ständig Ebbe herrscht, dann haben wir buchstäblich kein Polster, mit dem wir das Gesagte abpuffern könnten. 

 

Wertschätzung hilft also vor allem uns selbst. Bringt uns in Verbindung mit der Schönheit und Fülle, die wir sind. Lässt und spüren, wie wertvoll wir sind. Und kann nach und nach unseren inneren Kritiker zum Schweigen bringen. Allein deshalb ist Wertschätzung eine der wichtigsten Dinge, die wir uns angewöhnen sollten.

 

Übung: Geben Sie sich mit Ihrem Partner abends, bevor Sie schlafen gehen, drei Wertschätzungen. Nicht für die großen Dinge. Sondern für die kleinen. Achten Sie darauf, dass Sie nicht loben. Sondern wirklich danken. Machen Sie das Ganze abwechselnd. Und nehmen Sie sich zum Abschluss einmal in den Arm.

 

 

29.3.20

Krisenhilfe für Paare im Corona-Stress 

 

Viele Paare, die jetzt viel Zeit miteinander verbringen, erleben dies als sehr stressig. Wenn man auf engem Raum zusammen ist, können alte Konflikte ausbrechen, neue stärker werden, Streit und Auseinandersetzungen zunehmen. 

 

Für alle Paare, die von dieser Situation betroffen sind, haben wir hier Übungen zusammengestellt, mit denen Sie sich im Konfliktfall helfen können:

    

- Nutzen Sie die Zeit für intensive Gespräche! Sprechen Sie jeden Tag mindestens 10 Minuten miteinander. Und zwar so, dass jeder 5 Minuten spricht und der andere nur zuhört. Über irgendetwas sprechen, was mir gerade wichtig ist. Bitte nicht mit dem schlimmsten Konfliktthema anfangen, sondern mit etwas relativ Harmlosen, aber trotzdem Wichtigen starten. Nach den fünf Minuten, die der erste gesprochen hat, versuchen Sie bitte einfühlsam zu verstehen, was der andere gerade gesagt hat. Versuchen Sie es wiederzugeben, nicht wie ein Papagei, sondern so, wie Sie es verstanden haben. Wenn es nicht stimmt oder etwas fehlt, nochmal erklären, was gemeint ist. Am nächsten Tag ist der andere dran. Nach und nach können Sie sich im Grad der Intensität steigern. Nicht vergessen: Danken Sie einander!!

 

- Nehmen Sie sich jeden Tag mindestens 3 Minuten in den Arm, auch (oder gerade), wenn Sie im Stress miteinander sind. Genau dann braucht man es nämlich am meisten. Bitte wirklich 3 Minuten durchhalten!                          

           

- Setzen Sie sich gegenüber und nehmen Sie sich an den Händen. Schauen Sie sich in die Augen. Sagen Sie sich abwechselnd: Ich brauche deine Liebe! Dabei tief atmen!

 

- Geben Sie sich einmal am Tag fünf Wertschätzungen. Auch und gerade die kleinen Dinge zählen (danke, dass du daran gedacht hast, den Steuerberater anzurufen, das war mir so unangenehm. Danke, dass du mit unserem Sohn über seine Unordnung in seinem Zimmer gesprochen hast. Danke, dass du heute so lecker gekocht hast…. ) Spüren Sie Ihre Dankbarkeit. Sprechen Sie abwechselnd. 

 

Verzeihen und versöhnen. Dies allein ist eine Übung, mit der man Ehen retten kann: Sagen Sie sich gegenseitig, wofür Sie den anderen um Verzeihung bitten möchten. Seien Sie dabei verletzlich – nutzen Sie die Möglichkeit, auch Unangenehmes ganz ehrlich zu benennen. Machen Sie das abwechselnd. Nun fragen Sie als nächstes: Und wofür brauchst du noch meine Entschuldigung. Dann hören Sie zu, was der andere sagt, Und dann entschuldigen Sie sich, und zwar so, dass Sie sagen: „Es tut mir leid, dass ich dich damit verletzt habe. Das wollte ich nicht. Bitte verzeih!“ Dabei geht es nicht darum, ob Sie das nun bewusst getan haben oder nicht. Dass der andere dies als verletzend oder verstörend empfunden hat, reicht. Keine Rechtfertigungen, bitte! Dann Schritt 3: Danken Sie sich gegenseitig

 

    

 

26.3.2020

Liebe Paare,

 

Wir leben in einer aufwühlenden Zeit, die viele Gefühle freisetzt, dabei auch viel Angst.

Gleichzeitig steht die Welt ein bißchen still. Wir kommen ins Nachdenken, was unser Leben so ausmacht.

Was wollen wir dieser Welt geben, wozu sind wir auf dieser Erde? Es sind neben den Gefühlen der Angst auch

die grundsätzlichen Fragen, die jetzt auftauchen. Und das ist auch gut so.

Da wo der Mensch jetzt zur Ruhe kommen muß, atmet die Natur auf. Die Luft wird wieder besser, das Wasser wird

klarer. Die Natur erholt sich von dem umtriebigen Wirken des Menschen.

Das ist die andere Seite, die vielleicht auch Hoffnung gibt. Wir können vielleicht daraus lernen, das unser Wirken

Einfluß hat und das die Welt sich verändern möchte und wir etwas dazu tun können.

Und das ist, zusammenzustehen als Paar, in der Familie, als Gemeinschaft. Für uns beide wird immer

deutlicher gerade in dieser Zeit, das wir unseren Blick auf das wertvolle in unserer Beziehung richten, zu sehen das die Grundlage unserer Beziehung unsere tiefe Liebe ist und alles andere unwichtiger wird, die manchmal kleinen Verletzungen vom anderen, die dann so groß

werden. Wenn wir uns aber verlieren könnten, wird das unwichtiger. 

 

Dann geht es darum  Ich liebe Dich - Ich brauche Dich zu sagen, wie das im Lied von Reinhard Mey so schön gesungen wird.

Der Link steht weiter unten.

    

Wir beide sind noch auf Mallorca. Unser Rückflug ist gestrichen und wir warten auf einen neuen Termin. Wir dürfen unsere 

Wohnung nicht verlassen, nur zum einkaufen. Und auch nur alleine, nicht zu zweit. Das ist auch für uns eine große

Herausforderung. Wir sind aber guter Hoffnung, das wir Menschen aus Corona etwas lernen werden. Das wir wertschätzender,

achtungsvoller und liebevoller mit uns und der gesamten Schöpfung umgehen werden. Das wär doch was,oder?

 

25.3.2020  

 

Das passt gut in diese Zeit. Ein Wohnzimmerkonzert von Reinhard Mey

 

https://youtu.be/5IzpWgc8l4A?fbclid=IwAR3KzXAjL9ARu0nk3297pLtE-bzZX9UtYtgHgmtK7pGPjAyZ8853SmMvNV4       

 

20.3.2020

 

Übung : Deine Wahrheit, meine Wahrheit

 

Statt wie bisher darüber zu streiten, wer denn nun Recht hat, probieren Sie doch einmal etwas anderes: 

 

Üben Sie, sich einmal ganz auf die Sichtweise des anderen einzulassen! Auch und gerade, wenn diese so ganz anders ist als das, was wir selbst erleben. Nur zu oft hören wir dem anderen gar nicht mehr richtig zu, sobald ein Stichwort gefallen ist, das uns wehtut oder sobald der andere etwas gesagt hat, was sich aus unserer Perspektive falsch anfühlt. Dann holen wir alle unsere „inneren Krieger“ aus der Versenkung. Und streiten nun mehr darum, wer die richtige Wahrheit hatte. 

 

Machen Sie für diese Übung bitte aus, über was Sie sich austauschen wollen – es sollte schon etwas Konflikthaftes sein, aber nicht ein wirklich großer Konflikt. Es geht darum, dass Sie üben, wie es dann bei einer großen Sache sein kann. Das übt man am besten mit einem Thema, das nicht so ganz „heiß“ ist, sondern nur „lauwarm“. Also etwas, über das Sie sich vielleicht ein wenig geärgert haben, das aber dann nicht so wirklich wichtig schien. Einigen Sie sich im Vorwege über das Thema. Und schreiben Sie beide darüber, wie Sie, ganz persönlich, diese Situation erlebt haben.

       

Die Übung, die wir Ihnen vorschlagen, heißt im Untertitel „Feuerlauf“:

 

Dabei geht es darum, dass Sie die Wahrheit der/s anderen wirklich kennenlernen, ebenso wie alle seine/ihre Gefühle dazu. Holen Sie sich dazu bitte ein oder zwei Seiten Papier. Und setzen Sie sich für eine halbe Stunde getrennt irgendwo hin, wo Sie schreiben können. 

 

Schreiben Sie nun bitte oben auf die Seite: Meine Wahrheit

 

Nun beginnen Sie zu schreiben. Als Erstes schreiben Sie bitte als Überschrift das Wort: Wut – und dann lassen Sie ein wenig Platz. In diesen Abstand schreiben Sie alle Sätze zu dem Konflikt, die anfangen mit „Ich bin so wütend, dass du….“, „Wie konntest du mir das antun…..“ „Ich bin stinksauer, dass du…“, „Ich kann gar nicht sagen, wie wütend es mich macht, dass du…“ Wiederholen Sie diese Satzanfänge so oft, bis Sie alles zum Ausdruck gebracht haben, was mit Ihrer Wut zu tun hat und bis Ihnen zu dem Abschnitt nichts mehr einfällt. 

 

Danach schreiben Sie darunter: Trauer – und dann lassen Sie ein wenig Platz. In diesen Abstand schreiben Sie Sätze, die Worten anfangen wie: „Ich bin so traurig, dass du….“, „Ich kann es kaum fassen, dass du…“, „Ich bin ganz fassungslos, dass du….“, Mein Herz tut mir weh, wenn ich denke, dass du…“ Wiederholen Sie auch diese Satzanfänge so oft, bis Sie alles ausgedrückt haben, was Ihnen auf der Seele liegt.

 

Und nun schreiben Sie darunter: Angst – und dann lassen Sie ein wenig Abstand. In diesen Abstand schreiben Sie Sätze, die anfangen mit: „Wenn ich dir dies sage, befürchte ich, dass du…“, „Vielleicht hasst du mich nun, wenn ich dir sage, dass du….“, „Ich habe Angst, dass du nicht damit umgehen kannst, wenn ich dir sage, dass du….“, „Ich befürchte, dass du nun….“ Au ch hier immer wieder wiederholen, bis Sie am Ende angekommen sind.

 

Dann schreiben Sie darunter: Woher ich diese Gefühle kenne – und dann schreiben Sie Sätze wie: „Ich fühle mich dann wie damals, als ich….“, „Diese Gefühle kenne ich und wollte sie nie wieder fühlen, als ich….“, „Das ist genauso wie damals, als….“ Auch diese Satzanfänge wiederholen und alles schreiben, an das Sie sich erinnern.

 

Nun schreiben Sie: Mein Anteil und dann schreiben Sie Sätze wie: „Ich glaube, dass ich genauso reagiere wie damals, als ich….“, „Es könnte sein, dass ich versuche, …zu tun, damit du….“, „Was ich dir vielleicht sonst nie sagen würde, ist, dass ich…“, „Ich glaube, ich habe zu diesem Streit beigetragen, weil ich….“ Lassen Sie sich hier ein wenig Zeit. Schreiben Sie aber dann auch alles auf, was ihnen zu dem Thema einfällt.

 

Und nun schreiben Sie: Reue – und dann lassen Sie die Sätze beginnen mit: „Es tut mir leid, wenn ich dir Unrecht getan habe“, „Vielleicht habe ich das, was zwischen uns war, durch eine Brille gesehen, nämlich…“, „Bitte verzeihe mir, wenn ich dich dadurch gekränkt habe, dass ich…“ Auch hier die Satzanfänge wiederholen, bis Sie sich „durchgeschrieben“ haben.

 

Und als Letztes schreiben Sie noch: Ich liebe dich!

 

Sie können sich nun abwechselnd diese Liste vorlesen. Bitte fragen Sie Ihre Partnerin/Ihren Partner vorher, ob es ihr/ihm recht ist und ob der Zeitpunkt passt. Und lesen Sie es ihm/ihr erst dann vor, wenn es sich für beide richtig anfühlt. Machen Sie aus, wer anfängt. Wenn Sie erst zuhören und bei den ersten Punkten Schwierigkeiten haben, ruhig zu bleiben oder ihm/ihr ins Wort fallen oder die Dinge richtigstellen wollen – tun Sie es nicht, denn Sie wissen ja: Der schöne Teil kommt am Schluss. Warten Sie, bis der/die andere das „Ich liebe dich“ gesprochen hat. Und dann danken Sie ihm für die Offenheit und Verletzlichkeit, die er/sie gezeigt hat. Versuchen Sie auch, sich zu vergegenwärtigen, dass dies alles seine/ihre Wahrheit ist nicht DIE Wahrheit. Sie haben wahrscheinlich eine ganz andere. Die können Sie sagen, wenn Sie dran sind. Und das sollten Sie erst dann sein, wenn Sie Ihrem Partner gedankt haben. Fragen Sie ihn/sie dann, ob es jetzt passt, dass Sie vorlesen – vielleicht müssen Sie auch noch ein paar Stunden oder bis zum nächsten Tag warten, denn das Vorgelesene wirkt sehr stark. Aber dann sind Sie dran – oder der andere, je nachdem. Spüren Sie vor allem, was so eine Art, mit Konflikten umzugehen, in Ihnen verändert – und vielleicht mögen Sie auch darüber sprechen.

 

Viel Freude mit dieser Übung!!!

 

19.2.2020

 

Wie wir lernen können, uns wirklich zu verstehen

 

Die meisten Paare sehnen sich nach einem Miteinander, einem Leben, in dem der Partner/die Partnerin spürt und weiß, wie einem zumute ist und einem darin dann auch entgegenkommt.

 

Damit das geschehen kann, sind jedoch zwei Dinge notwendig:

 

- Wir können lernen, wie wir das, was wir brauchen, fühlen und denken, so zum Ausdruck bringen können, dass wir wirklich gehört werden – sodass der andere nicht nur glaubt, wir kritisieren oder fordern. Wir sollten also die Sprache des Herzens sprechen lernen, denn auf dieser Ebene können wir davon ausgehen, dass der andere uns wirklich zuhört.

- Wir können lernen, den anderen wirklich zu hören und nicht nur auf ihn oder sie zu reagieren. Wir sollten lernen, dass der andere/die andere immer (!!!) nur über seine Wahrheit spricht, niemals über uns und unsere eigene Wahrheit. Das ist sehr schwer, kann aber gelernt werden.

 

 

Wie kann ich also lernen, dem anderen meine Bedürfnisse, Empfindungen, Gefühle so nahezubringen, dass er /sie wirklich aufnehmen kann, was ich sagen will? Und andererseits wirklich zuhören lernen?

 

Hier dazu zunächst einmal die Unterschiede, die sich ergeben, wenn wir wirklich lernen, ein partnerschaftliches Gespräch zu führen und keine fruchtlosen Endlos-Debatten:

 

Das partnerschaftliche Gespräch ./. Die typische Debatte 

 

1) Scheinbares Wissen ./. Offenheit

 

In der Debatte mit Endlosschleife haben Sie Ihren Standpunkt und Ihre Argumente. Sie (!) wissen, dass Ihre Position richtig ist, dass Sie (!) wissen, wie es wirklich war. Der andere sieht es falsch. Dabei versuchen Sie verzweifelt, den anderen zu erreichen und ihn/sie zur Einsicht zu bewegen, dass Ihre Ansicht die richtige ist.

 

Im partnerschaftlichen Gespräch dürfen Sie durchaus Ihren Standpunkt haben. Aber: Sie sind bereit, diesen Standpunkt eine Weile zurückzustellen und offen zuzuhören, was der andere zu sagen hat. Sie hören zu. Sie hören zu. Sie hören zu. Und zwar mit der Bereitschaft, wirklich verstehen zu wollen. Mit einem offenen Herzen. Dabei können sich neue Ansichten, neue Einsichten für Sie (!!!) ergeben.

 

2) Antworten  ./.  Erforschung

 

In der Endlos-Debatte reden Sie nur deshalb, um den anderen zu überzeugen, sie wollen ihn über-reden. Sie reden gegen ihn/sie an. Sie glauben, Sie kennen doch die richtigen Antworten und können nichts Neues dazu lernen. Sie wissen sowieso schon, was der andere sagen will.

 

Im partnerschaftlichen Gespräch geht es darum zu erforschen – Sie selbst und (!!) und den anderen, und auch das Thema. Sie gehen davon aus, dass es dabei Aspekte und Hintergründe gibt, die Sie noch nicht kennen, die Sie aber entdecken wollen. Sie können sich beispielsweise folgende Fragen stellen:

- Warum machen deine Worte mich gerade ärgerlich oder nervös?

- Warum hast du gerade diese Worte gesagt?

- Woher kommt dein Standpunkt?

- Welches genau ist dein Standpunkt?

- Könnte es auch eine andere Sichtweise als die meine geben?

- Von welchen (ungenannten) Voraussetzungen bin ich ausgegangen?

- Woher kommt mein Standpunkt?

- An welchen Werten/Visionen/Glaubensmustern/erlernten Bildern orientiere ich mich?

 

3) Gewinnen oder verlieren ./. Teilen

 

In der Endlos-Debatte will ich dich ins Unrecht setzen (auch wenn ich mich ständig nur rechtfertige). Ich glaube, dass es nur einen Gewinner, einen Verlierer geben kann. Und dass es auch nur einen richtigen Weg gibt. Überprüfen Sie sich, auch wenn Sie jetzt sofort: Nein, so ist es bei mir nicht! rufen wollen.

 

Beim partnerschaftlichen Gespräch geht es um das Teilen. „Wir teilen unsere Ansichten, wir teilen unsere Annahmen, wir teilen unsere Zweifel, unsere Fragen, unsere Ängste, unsere Vorschläge und auch unsere verrückten Ideen. Wir machen uns viele Vorschläge über mögliche Wege und erspüren gemeinsam, welcher für uns der beste ist.“

 

4) Vergleichen ./. Gleichwertig sein

 

In der Endlos-Debatte gibt es nur ungleiche Beteiligte. Einer fühlt sie dem anderen überlegen oder unterlegen. Einer gewinnt, der andere verliert. Einer hat Recht, der andere Unrecht. Es gibt nur eine Sichtweise, nämlich die richtige. Der Kampf geht darum, wessen Wahrheit diese richtige Sichtweise beinhaltet. Diesen Kampf können nur beide verlieren, denn der Verlierer kann sich dem Gewinner dann nur verweigern.

 

Im partnerschaftlichen Gespräch dagegen gehen wir davon aus, dass jeder sich mal kleiner, mal größer fühlt. Dass jeder der beiden stichhaltige Gründe (oft aus der Kindheit) dafür hat, sich so zu fühlen, wie er/sie sich fühlt. Deshalb sind diese Gefühle auch immer berechtigt. Es gibt keine „falschen“ Antworten oder Gefühle. Ich bin daran interessiert, deine Gründe und deine Gefühle kennenzulernen und ihren Ursprung zu verstehen.

 

5) Macht ./. Achtung, Wertschätzung

 

Bei der Endlos-Debatte geht es um Macht. Die Macht des Siegers (offen oder verdeckt) liegt darin, den anderen zu besiegen, ihn auf seine Seite zu ziehen oder ihn/sie ins Unrecht zu setzen. Sie kann auch darin bestehen, ihm/ihr ein schlechtes Gewissen zu machen oder ihn/sie bloßzustellen.

 

Beim partnerschaftlichen Gespräch dagegen geht es um Achtung. Achtung vor deiner Meinung und deinen Motiven, Respekt vor deinen Gefühlen und dem, was du mir zu sagen versuchst. Vielleicht kann ich sogar anerkennen, warum du die Sache/das Thema so anders siehst als ich. Um Anerkennung und Wertschätzung deiner Andersartigkeit, deiner Persönlichkeit, deiner ganz anderen Geschichte (nicht dass sie besser oder schlechter wäre als meine!), deiner besonderen Erfahrung, deiner Fähigkeit, mein Weltbild damit zu erweitern und zu bereichern.

 

Jeder von uns bringt nur eine der unzähligen Möglichkeiten des Daseins zum Ausdruck. Ich bin interessiert und dankbar, dass du mir ganz andere Möglichkeiten dieses Lebensausdrucks zeigst, und ich erkenne an, wie du sie umsetzt.

 

6) Verteidigen ./. Zuhören

 

Bei der Endlos-Debatte möchte ich dich nicht wirklich kennenlernen, sondern ich gehe davon aus, dass ich dich sowieso schon kenne. Ich verteidige meine Meinung und verschließe mich vor dir.  

 

Beim partnerschaftlichen Gespräch schaffe ich einen Raum in mir, in dem ich dir wirklich zuhören kann. Ich versuche zu fühlen, was du sagst. Ich schaffe diesen Raum in mir, indem ich mich selbst achte und respektiere, indem ich mir selbst zuhöre und meine Reaktionen auf das wahrnehme, was du sagst, statt nur auf dich zu reagieren.

 

Dabei geht es nicht notwendigerweise darum, einen Konsens zu erzielen, oder einen Kompromiss zu finden. Bisher haben wir nicht gelernt, dass Unterschiedlichkeiten zu einer neuen Harmonie, zu einer neuen Kreativität führen können. Wir glauben, dass nur Einmütigkeit Harmonie erzeugt. Das ist aber nicht so. Wir wehren uns daher bisher gegen die Möglichkeit, dass Menschen mit unterschiedlicher Meinung beide Recht haben können. Das partnerschaftliche Gespräch ermöglicht diese Unterschiede. Es kann uns lehren, dass es keine simplen Wahrheiten gibt. Lösungen können auf einer höheren Ebene entstehen, wenn wir annehmen und praktizieren, dass wir alle wie Instrumente mit unterschiedlicher Stimmung und unterschiedlicher Stimme sind und dass diese Stimmen dann eine Harmonie ergeben, wenn sie zwar alle der Richtung der Liebe folgen, aber sich selbst dabei ehren.

 

Mit diesen Punkten kann man sich schon ein wenig mehr kennenlernen. Wenn es gelingt, sie im Auge zu behalten, dann kann man auch Konfliktgespräche führen lernen.

 

Was ist dazu nötig???

 

a) Seine eigene Sichtweise nicht als absolut darbringen, sondern als eigene Wahrnehmung

 

Normalerweise sagen wir nichts über unsere Sichtweise, sondern wir betonen das, was der andere getan oder ausgedrückt hat. Wir sprechen also letztlich nicht über uns selbst, sondern nur über den anderen. Das kommt an wie ein Angriff.

 

Problem: Wir bekommen nicht das, was wir wirklich brauchen: Verständnis, Interesse, Respekt. Sondern nur eine Gegenposition, Verteidigung, Gegenangriff.

 

Was wir tun können: Sprechen Sie über sich selbst, aber so, dass Sie Ihre Gefühle und Ihre Reaktionen ganz zu sich nehmen. Wenn es besonders gut läuft, dann könnten Sie dem anderen sogar sagen: Ich weiß, du hast das nicht beabsichtigt, aber ich fühle mich verletzt. Und dann sagen Sie, worin Sie sich verletzt fühlen, und zwar, indem Sie Ihre Wahrnehmung benennen und dann sagen, was dies in Ihnen ausgelöst hat. Dabei mehrmals betonen, dass der andere/die andere dafür nichts kann. Sondern dass dies Ihre (!!!) Gefühle sind. Die Sie aber benennen wollen. Dies hilft Ihnen, zu sich zu stehen.

 

Beispiel: „Dass du die Spülmaschine nicht ausgeräumt hast, obwohl wir heute Morgen darüber gesprochen haben, hat mich verletzt: Ich fühle mich dann nicht ernst genommen. Ich weiß, das hast du bestimmt nicht gewollt, aber das springt in mir an. Ich glaube, es ist ein sehr altes Gefühl und ich bin darin sehr schnell erreichbar.“

 

 

 

Genau das tun wir normalerweise nicht. Wir schieben dem anderen die Schuld für etwas zu – ohne uns zu erkundigen, wie seine / ihre Wahrnehmung aussieht. Das heißt, wir setzen ihn/sie in unsere Wahrheit ein, statt zu betonen, dass es nur unsere Wahrheit ist, für die der andere schließlich nichts kann.

 

Problem: Wenn wir den anderen nicht aus seiner Schuld entlassen, kann er /sie sich nur verteidigen und auch nicht gesehen fühlen. Wir bekommen also niemals das, was wir brauchen: Verständnis, Wärme, Liebe für uns.

 

Was wir tun können:  Für unsere Gefühle ganz die Verantwortung übernehmen. Es sind unsere Gefühle, und diese sind für uns wahr. Aber für diese Gefühle kann der andere nichts. Er/sie kennt sie oft nicht einmal. Das ist ein sehr, sehr wichtiger Schritt. Denn als Kinder war das anders, da waren die Erwachsenen viel, viel mächtiger als wir. Aber selbst damals wusste kein Erwachsener, welche Gefühle genau durch ihr Verhalten in uns entstanden sind. Oft genug wussten wir es selbst nicht. Wir haben nur auf die Erlebnisse/Erfahrungen reagieren gelernt, weil wir überleben wollten oder weil wir geliebt werden wollten. Es geht also nur um unsere Welt.

 

Beispiel: „Ich fühle mich verletzt, weil ich das Gefühl habe, alles bleibt an mir hängen. Dafür kannst du nichts. Ich weiß, du liebst mich und vielleicht ist dein Hintergrund ein ganz anderer, als ich glaube. Aber bei mir springt dieses Gefühl an. Kannst du das verstehen?“

 

 

Normalerweise sagen wir dem anderen, dass er/sie einen Fehler gemacht hat, darin sind wir sehr explizit. Was wir nicht tun, ist, dem anderen die Möglichkeit zu geben, uns wirklich zu sehen und zu verstehen. Damit aber versäumen wir, das zu tun, was uns wirklich helfen würde.

 

Das Problem: Der andere ist nur noch mit dem beschäftigt, was er/sie angeblich getan hat. Es ist kein Raum mehr da, dass wir in dem gesehen und verstanden werden, was wir empfinden und wollen.

 

Was wir tun können: Wir können lernen, uns selbst zu offenbaren und dafür um Verständnis bitten. Das, was der andere angeblich getan hat, ist nur der Anlass für unsere Gefühle, und die sind es, die wirklich wichtig sind. Darin wollen wir verstanden werden.

 

Beispiel:  „Ich würde gerne von dir hören, ob du mich verstehen kannst. Ich möchte noch einmal betonen, du hast mit meinen Gefühlen nichts zu tun. Aber ich brauche dein Verständnis. Weißt du, ich habe einen langen Arbeitstag gehabt und vielleicht bin ich deshalb auch gestresst. Dafür kannst du nichts. Ich bin dann auch reizbarer als sonst. Dafür kannst du auch nichts. Aber wenn ich glaube/meine/denke, dass ich jetzt, nach diesem langen Arbeitstag, auch noch die Spülmaschine ausräumen soll, dann fühle ich mich wie ein Putzlumpen/Haussklave. So, als hätte ich keinen Wert. Dafür kannst du auch nichts. Aber du sollst wissen, wie es mir geht. Kannst du das verstehen?“

 

 Am liebsten hätte ich, wenn du mich jetzt in den Arm nimmst und mir sagst, wie lieb du mich hast, dass du sagst, komm, wir machen das schnell zusammen. Und dann gehen wir was essen/gebe ich dir eine Fußmassage/kraule ich dir den Kopf/trinken wir einen Tee zusammen. Könntest du mir bitte sagen, ob du verstehst, was ich meine?“

 

c)Verletzlichkeit statt Mangelbetonung

 

Normalerweise betonen wir, wenn wir dem anderen von unseren inneren Nöten berichten wollen, das, was „falsch“ gelaufen ist. Wir betonen also einen Mangel, etwas, was gefehlt hat oder etwas, was wir gern anders gehabt hätten und was der andere – bewusst oder unbewusst – uns nicht gegeben hat. Deshalb glauben wir, ein Recht auf unsere schlechten Gefühle zu haben – und bringen diese auch zum Ausdruck. In Wirklichkeit jedoch sehnen wir uns alle nach Gesehen-werden und Geborgenheit. Dazu brauchen wir den Mut zur Verletzlichkeit.

 

Problem: Wenn wir nur den Mangel betonen, wiederholt sich unsere innere Welt, in der wir nicht oder nicht richtig geliebt werden. Wir reproduzieren sie und stellen sie so durch unsere Reaktion indirekt wieder her. Der andere kann uns in unserer wahren, unserer inneren Not nicht erkennen. Er/sie hört nur den Mangel. Das wiederum aktiviert sein/ihr Mangelprogramm. Und schon läuft die alte Spirale.

 

 Was wir tun können: Wir können lernen, mit voller Verletzlichkeit zu sprechen. Das ist sehr schwer, öffnet aber das Herz des anderen. Verletzlichkeit ist die Brücke zum Herzen des anderen.

 

Beispiel: „Ich weiß, du kannst nichts dafür und vielleicht kommt dir das auch sehr seltsam vor, aber wenn ich mich wie ein Putzlumpen fühle, habe ich buchstäblich alles verloren, was mich sonst wertvoll macht. Ich sehe dann die Welt nur noch durch diese Brille. Ich weiß, das ist sicher ganz blöd für dich und ich tue dir vielleicht sogar unrecht damit, aber das springt eben in mir an. Kannst du mich bitte mal in den Arm nehmen und mir sagen, dass ich kein Putzlumpen für dich bin?“

 

d) Sich nach den Empfindungen des anderen erkundigen

 

Normalerweise fragen wir den anderen gar nicht danach, wie seine Wahrnehmung der Situation beschaffen ist. Wir glauben, es sei doch so, wie wir es wahrnehmen. Wir geben dem anderen damit auch kein Recht auf seine, wahrscheinlich ganz andere Wahrnehmung. Sondern nur noch darauf, auf unsere Wahrnehmung zu reagieren.

 

Das Problem: Damit bekommt der andere ausschließlich eine Rolle in unserer eigenen Welt. Die Welt des anderen aber ist anders. Und die können wir so nicht kennenlernen.

 

Was wir tun können: Unsere Weltsicht nicht als absolut sehen. Sondern nach der Welt des anderen fragen. Zuhören. Und es zulassen. Nicht wegdiskutieren. Sondern kennenlernen.

 

Beispiel: „So, jetzt weißt du, wie mir ums Herz ist. Könntest du mir bitte sagen, wie du die ganze Sache wahrgenommen hast? Ich werde mich bemühen, dir wirklich zuzuhören – und deine Antwort nicht als Rechtfertigung oder Abwehr zu sehen. Ich möchte wirklich wissen, wie du dich fühlst.“ 

 

 

 

 23.01.2020

 

Deine Wahrheit, meine Wahrheit

 (Auszug aus dem Buch "Yoga hilft der Partnerschaft", Evelyn Horsch-Ihle, Via Nova Verlag)

 

Wir alle suchen also nach Liebe! Wie diese aber zu uns kommen soll, wie wir lieben wollen und geliebt werden wollen, das unterscheidet sich doch sehr von Mensch zu Mensch. Am Anfang der Beziehung geschieht dies fast auf magische Weise. Kaum aber ist ein Paar länger zusammen, zieht vielleicht gar in eine Wohnung, dann zeigen sich diese Unterschiede, unausweichlich. Es gibt Missverständnisse, latenten Ärger, Unzufriedenheit, bei einem oder bei beiden Partnern. Und nach und nach nimmt der Glanz der ersten Liebe ab. Deshalb spricht man von der „rosaroten Brille“ am Anfang einer Beziehung und meint, dass diese im Laufe der Zeit verschwindet, sodass man dann den Partner erst so sehen könnte, wie er oder sie wirklich ist.

 

 

Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Denn wenn wir länger zusammen sind, dann nehmen wir nicht die „rosarote Brille“ ab, sondern wir setzen unsere eigene „Ego-Brille“ auf. Was bedeutet, wir beginnen, den anderen nicht mehr in seinem wahren Wesen zu erkennen, sondern ihn oder sie durch unsere eigene Brille zu sehen und zu beurteilen – und die ist meist ziemlich verzerrt. Wir beginnen nämlich, aufeinander zu reagieren – auf bestimmte Signale, auf bestimmte Worte, auf bestimmte Handlungen. Diese interpretieren wir dann auf unsere Weise, so, wie wir es gewohnt sind – und meinen, das müsse doch die Wahrheit sein. Ist es auch. Aber nur unsere eigene Wahrheit. Und keineswegs die des Partners.

  

Übung:

 

Setzen Sie sich beide mit einem Blatt Papier hin und schreiben Sie oben auf die Seite: Wie ich dir meine Liebe zeige.  Darunter schreiben Sie all das, was Ihnen einfällt, all die kleinen und die großen Dinge, mit denen Sie Ihre Liebe zeigen. Dass Sie daran denken, welchen Käse er oder sie mag, dass Sie morgens aufstehen und ihm oder ihr den Kaffee ans Bett zu bringen. Dass Sie vielleicht darauf achten, den billigsten Stromanbieter zu finden. Oder abends wirklich früh nach Hause zu kommen, obwohl Ihr Chef dann ein langes Gesicht zieht. Dass Sie mitkommen zu seiner oder ihrer Familie, wenn Festtage sind, obwohl Sie sich manchmal wirklich überwinden müssen. Und, und, und....

 

 Auf die Rückseite Ihres Blattes schreiben Sie: Wann ich mich von dir geliebt fühle. Und darunter schreiben Sie all die kleinen und großen Momente, in denen Sie diese Liebe spüren. Oder gerne spüren würden.

 

 Und dann, einen Tag später oder noch am selben Tag, setzen Sie sich zusammen und lesen sich gegenseitig erst die eine Seite des Blattes vor und dann die andere, abwechselnd, jeder immer einen Punkt. Achten Sie dabei auf Ihre Gefühle – und Ihre Gedanken. Es kann sein, dass Sie ganz glücklich werden bei dieser Übung. Weil Sie merken, wie oft Sie geliebt werden, jeden Tag. Es kann aber auch sein, dass Sie merken,  wie selten Ihre Art, Ihre Liebe zu zeigen, zu dem passt, was der Partner unter Geliebt-Werden versteht. Und umgekehrt. In jedem Fall können Sie viel erfahren über den Partner – vor allem über seine Wünsche und Sehnsüchte. Das kann ein wichtiger Anfang für Sie sein, ihn oder sie ganz

neu zu sehen.

 

 

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 Wenn Paare zu uns in die Beratung kommen, dann sagen sie deshalb meist, sie hätten „ein Kommunikationsproblem“. Was bedeutet, dass sie meist unterschiedlicher Meinung über das sind, was sich zwischen ihnen abspielt. Und jeder Partner glaubt, wenn der oder die andere die problematischen Situationen so sehen könnte, wie er oder sie es selbst sieht, dann müsste doch alles in Ordnung sein. Wir als Berater sollen also dem jeweiligen Partner oder der Partnerin beibringen, wo er oder sie die ganze Sache doch falsch sieht, damit er seinen Irrtum korrigieren und das Paar wieder glücklich sein kann.

 

Natürlich müssen wie oft „übersetzen“, was ein Partner wirklich meint und fühlt. Aber nicht, weil der andere etwas „falsch“ sieht. Sondern weil Paare viel Zeit damit verbringen, verzweifelt dem anderen die eigene Sicht der Dinge nahezubringen, um wirklich verstanden zu werden. Da dies aber gleichzeitig beide Partner tun, ist dann niemand mehr da, der wirklich verstehen kann. Sondern nur zwei, die nicht verstanden werden. Wir müssen also Paaren als erstes nahebringen, dass der andere wirklich „anders“ ist – mit einer anderen Welt, in der er sich bewegt, einer anderen Sprache, einer anderen Sichtweise auf Dinge, Menschen und Situationen.

 

 Das klingt wie eine Selbstverständlichkeit, ist aber eine der schwersten – und wichtigsten - Erkenntnisse , die man in einer Partnerschaft haben kann. Denn nach der ersten Phase der Verliebtheit setzt bei jedem der Partner das alte Muster seines Lebens wieder ein – und jeder zeigt sich dem anderen mit all den Wunden, den Bewältigungsmustern, den fehlgeleiteten Hoffnungen und auch der ganzen Härte seiner Lebenserfahrungen. Ob nun einer der Partner gelernt hat, sich abzuschotten, weil in seinem Elternhaus die Eltern dauernd gestritten haben und deshalb jedes Mal das Haus verlässt, wenn Streit droht, ob einer anderer sich gegen die wohlgemeinten Übergriffe einer besorgten Mutter zur Wehr setzen musste und heute deshalb nicht „zuhört“, wenn der Partner „Ansprüche“ stellt, ob ein Partner gelernt hat, möglichst nur für andere da zu sein und nichts für sich zu wollen und so den anderen ständig ins Unrecht setzt, oder ob ein anderer unbedingt Karriere machen m u s s, weil er oder sie meint, nur so wertvoll und wichtig zu sein – jeder von uns bringt in die Partnerschaft das mit, was man „die eigene Wahrheit“ nennen kann. Und diese Wahrheit trifft dann auf die Wahrheit des anderen – in der eine ganz eigene Sprache, ganz eigene Tonfälle, ganz eigene Interpretationen gelten.

  

 Passen Paare deshalb dann überhaut zusammen? Tatsächlich gehen viele Partnerschaften auseinander, weil die Liebenden an eben dieser Unterschiedlichkeit scheitern. Tatsächlich aber gibt es niemanden, der auf Dauer zu einem „passt“. Sondern nur jemanden, den man wirklich lieben lernen kann – genau wie sich selbst. Nicht, indem man die Augen verschließt für seine oder ihre Fehler, nicht, indem man versucht, sich so zu anzupassen, dass es möglichst keine Konflikte gibt,  nicht,  indem man auf sein eigenes Glück verzichtet und sich einredet, dass sei eben die „Liebe“. Sondern indem man erkennt, dass Partnerschaft wirklich Heilung bedeuten kann. Heilung für sich und für den anderen, Heilung von all den Mustern, die man einmal für sich eingerichtet hat, um nicht so verletzlich zu sein. Heilung von den Überzeugungen von sich und der Welt, Heilung auch an all den Punkten, an denen man sich zu verlieren scheint und an denen man sich letztlich selbst noch nicht liebt.

 

 Denn wir haben alle gelernt zu hoffen, auf eine bestimmte Weise Liebe, Anerkennung, Bestätigung zu finden – aber nur deshalb, weil wir alle Wunden der Liebe in uns tragen. Wunden, weil wir nicht wirklich glauben, wertvoll zu sein, liebenswert zu sein, richtig zu sein. Wir hoffen deshalb, wenn wir uns nur in einer bestimmten Weise verhalten, dann müsse der andere uns doch das geben, was wir uns so mühevoll verdient haben. Deshalb sind wir auch so unglaublich enttäuscht, wenn genau dies nicht passiert, denn wir haben uns doch so bemüht, uns so angestrengt, so viel gegeben!

 

 Spirituell betrachtet versuchen wir damit jedoch, unseren Partner in unsere Welt des Ich, des Ego, hineinzuziehen. In unsere Interpretationen, in unsere Sichtweisen, in unser Skript vom Leben, in unseren „Schmerzkörper“. Nicht bewusst, nicht in böser Absicht – sondern weil wir auf Heilung durch den Partner hoffen. Genau das geschieht auch – aber ganz anders, als wir es gedacht hätten. Denn gerade die Weigerung unseres Partners, uns das zu geben, was wir zu brauchen meinen, bringt uns in Kontakt mit dem, was wir niemals mehr fühlen wollten – und was uns das Tor zu unserer wirklichen Heilung öffnen kann. Wenn wir bereit sind, uns auf uns selbst – auf die Erkenntnis unseres Selbst und unserer Muster - einzulassen, mit allem Mitgefühl, aller Barmherzigkeit und aller Wertschätzung – dann können wir einen Weg durch die Irrwege unseres Ego finden - und letztlich davon frei werden.

 

Das ist das große spirituelle Geschenk der Partnerschaft und der Liebe – und ihr erster Schritt besteht darin, aufzuhören, den anderen in die eigene Wahrheit hineinziehen zu wollen. Zu erkennen, dass das, was der andere tut und fühlt, keineswegs das ist, was wir daraus machen. Aufzuhören, Schubladen zu öffnen und den anderen hineinzustecken. Sondern annehmen zu lernen, was man in sich selbst fühlt und spürt – und was der andere spürt und fühlt. Im achtsamen Bewusstsein, dass dies die erste Schicht des Ego überwinden kann – das Gefangensein in Vorstellungen und Interpretationen über sich selbst und über den anderen.